Das Internet ist böse
Weil das „Internet böse ist“, gehören nach Meinung der nordrhein-westfälischen Landesregierung persönliche Daten auf Computern mit Internetanschluss nicht zur Privatsphäre:
Die "Sperre" durch den Kernbereichsschutz betrifft vorrangig nur die Frage, ob die behördliche Maßnahme in einem Bereich stattfindet, der erhöhte Schutzanforderungen begründet, weil sich der Bürger dort besonders "sicher" sein darf, unbeobachtet zu agieren.
Laut Ergebnis der Stellungnahme für die Landesregierung darf sich der Bürger im Internet allerdings gerade nicht besonders sicher sein, unbeobachtet zu agieren. Angesichts von Bundestrojanern und Vorratsdatenspeicherung ist dieser Ansatz sogar glaubhaft. Der Schluss
Wer "innere Vorgänge wie Empfinden und Gefühle sowie Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck" bringen will, macht dies nicht in Interaktion mit dem Rechner, weil er sich der IT-Sicherheitsrisiken bewusst ist (bzw. sein müsste)
ist aber damit trotzdem logisch falsch, da es genug Beispiele gibt, in denen für den Bürger praktisch unbemerkt Verschlüsselungsverfahren zu seinem Schutz eingesetzt werden. Dieser Ansatz bedeutet nicht nur, wie die Autorin des Telepolis-Artikels ausführt, eine Umkehrung des heutigen Strafrechts, wie es insbesondere §202a StGB (Ausspähen von Daten) vorsieht, d.h. eine Fast-Legalisierung des Hackens – wobei die Verwendung von potenziellen „Hackertools“ verboten ist. Weiterhin hat diese Argumentation negative Folgen für den IT-Standort Deutschland, schließlich bedeutet das generelle Absprechen der Vertrauenswürdigkeit von Internetverbindungen letztlich auch, dass
- Verträge schwebend unwirksam sein müssten
- e-Government nicht praktikabel ist
Fraglich ist allerdings, wie unter dieser Grundannahme der Unsicherheit die Eigeninitiative der Verwendung starker Kryptografie zu werten ist, handelt es sich dabei doch um eine sehr sichere Möglichkeit, die eigene Kommunikation zu schützen. Angesichts der obskuren Legitimationsversuche für staatliches Schnüffeln kann die Antwort nur darin liegen, vertrauenswürdige Computersysteme, integre Software sowie Verschlüsselung aller Orten einzusetzen. Während diese Form des wohl und übel nötigen Datenschutzes noch mit vergleichsweise wenig Aufwand zu meistern ist, sieht es in der „Offline-Welt“ schon schwieriger aus: Kameraüberwachung, Geruchsproben, Handyortung, … Dabei wissen wir doch schon seit 1983, dass
Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. […] Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist. Hieraus folgt: Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art 1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.
Mein Kommentar dazu: Bundesrecht (GG) bricht Landesrecht. Vielleicht sollte man einmal Freiheitsredner in die Politik schicken.
1 Robert (Admin) aus Baunatal/Deutschland schrieb am 04.06.2007:
Und Schäuble bestätigt indirekt die Ausgangsthese vom „bösen Internet“: Es soll ein sicherer Kommunikationsraum werden. Dies läuft allerdings nicht nur obigem, sondern auch seinem Bundestrojaner zuwider. Damit scheint sich zu bestätigen, dass politische Entscheidungsträger nicht immer so genau wissen, worüber sie eigentlich reden.
2 Roberts Kolumne aus aus dem Internet schrieb am 31.08.2007:
Medienliebling "Bundestrojaner":