Dringendes Distinktionsbedürfnis
Nicht nur die Affäre Guttenberg bewirkt ein dringendes Distinktionsbedürfnis, sondern auch so mancher Fahrgast in der Großen Kasseler Straßenbahn. Aus der Rubrik «Das musste mal geschrieben werden».
Den Doktortitel ist Guttenberg los, aber wie?! Die Uni Bayreuth (teilweise auch schon als „Buyreuth“ verspottet) hat sein Geständnis (am Wochenende waren so manche Dinge noch abstrus
) wohl als alleinige Grundlage für ihre Entscheidung verwendet, ohne weitere Nachforschungen anzustellen. Es soll kein weiterer Staub aufgewirbelt werden – vorerst eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Guttenberg braucht keine unangenehmen Fragen zu fürchten (z.B. ob er vorsätzlich handelte oder es gar einen Ghostwriter gab), die Uni hat „konsequent“ gehandelt und ihm den Titel aberkannt. Aber damit bleibt die für alle Beteiligten peinliche Geschichte (unsaubere Arbeit abgeliefert, unsaubere Arbeit mit Bestnote bewertet) lediglich an der Oberfläche. So ein halbgares Vorgehen hat mit Wissenschaft nicht viel zu tun. Wem ein Doktor auf der Visitenkarte wichtiger als Doktorarbeit ist, sollte einen heiraten oder sich um einen ehrenhalber bemühen.
Gestern Abend ging es irgendwann nicht mehr in der Bahn aus Richtung Baunatal nach Kassel. Ein dringendes Distinktionsbedürfnis drückte nach dem unfreiwilligen Mithören von Telefongesprächen mit haarsträubendem Inhalt. Der Rückweg führte dann durch die von der spät abendlichen Stadt illuminierten Karlsaue, vorbei an verwunschenen Bäumen und über gefrorenen Rasen. Ein eindrucksvolles Erlebnis, das mit der Kamera eingefangen werden will.