Vorratsdatenspeicherung kippelt
Vorgestern schrieb ich noch über neues von der Vorratsdatenspeicherung und heute schon hat das Bundesverfassungsgericht (BVG) über den Eilantrag zur Aussetzung des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung entschieden (Originalquelle mit bestem Dank von Fefe): Die laxe Weitergabe der erhobenen Daten ist nicht erlaubt, das Speichern über einen langen Zeitraum auf Vorrat allerdings schon:
Aufgrund eines Abrufersuchens einer Strafverfolgungsbehörde nach § 100g Absatz 1 der Strafprozessordnung, das sich auf allein nach § 113a des Telekommunikationsgesetzes gespeicherte Telekommunikations-Verkehrsdaten bezieht, hat der durch das Abrufersuchen verpflichtete Anbieter von Telekommunikationsdiensten die verlangten Daten zu erheben. Sie sind jedoch nur dann an die ersuchende Behörde zu übermitteln, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens gemäß der Anordnung des Abrufs eine Katalogtat im Sinne des § 100a Absatz 2 der Strafprozessordnung ist und die Voraussetzungen des § 100a Absatz 1 der Strafprozessordnung vorliegen. In den übrigen Fällen des § 100g Absatz 1 der Strafprozessordnung ist von einer Übermittlung der Daten einstweilen abzusehen. Der Diensteanbieter hat die Daten zu speichern. Er darf die Daten nicht verwenden und hat sicherzustellen, dass Dritte nicht auf sie zugreifen können.
Mit anderen Worten: Die so genannten Verkehrsdaten müssen weiterhin gespeichert werden, dürfen aber nur auf richterliche Anordnung bei besonders schweren Straftaten an die Ermittlungsbehörden weitergegeben werden. Auskunftsansprüche der M.A.F.I.A. dürften damit allerdings kaum gemeint sein, auch wenn sich die Strafe auf professionelles „Raubkopieren“ meines Wissens im gleichen Rahmen wie Vergewaltigung bewegt. Da das gleiche Gericht allerdings vor Kurzem ein neues Grundrecht installiert hat, lässt die Hauptverhandlung einiges erwarten. Da die Vorratsdatenspeicherung allerdings eine EU-Richtlinie ist, muss die komplette Angelegenheit eventuell in Strasbourg geklärt werden. Meiner Ansicht nach kippelt das Gesetz bislang nur, es wurde aber definitiv (noch) nicht gekippt!
Ebenso hat das Gericht der vom Arbeitskreis (AK) Vorratsdatenspeicherung angestrebten einstweilige Anordnung zur Aussetzung des Gesetzes dabei nicht entsprochen:
Der in der Vorratsdatenspeicherung für den Einzelnen liegende Nachteil für seine Freiheit und Privatheit verdichtet und konkretisiert sich jedoch erst durch einen Abruf seiner Daten zu einer möglicherweise irreparablen Beeinträchtigung. […]
Angesichts des Zusammenhangs zwischen der Datenbevorratung und dem Abruf der bevorrateten Daten ist mit der Bevorratung allein noch kein derart schwerwiegender Nachteil verbunden, dass das Risiko hingenommen werden müsste, durch eine Aussetzung bereits der Vorratsspeicherung möglicherweise über die Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache hinauszugehen und das Interesse an einem effektiven Vollzug des zwingenden Gemeinschaftsrechts schwerwiegend zu beeinträchtigen.
Wie telepolis korrekt ausführt, ist die Datenspeicherung an sich unproblematisch, kritisch wird es erst beim Zugriff darauf. Diese Einschätzung mag ich nicht teilen, weil es heutzutage je nach „Großwetterlage“ gar nicht so schwierig ist, in irgendwelche „Raster“ zu passen. Auch kann man bei Datenverarbeitungsanlagen Missbräuche nie ganz ausschließen. Aber wer weiß, vielleicht hat der telepolis-Autor Burkhard Schröder Recht und wir bzw. die Sicherheitsfanatiker werden in der Hauptsachenverhandlung eine Überraschung erleben.
Trotzdem feiert der AK den Richterspruch und fordert den Rücktritt von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), die maßgeblich an der Tat an dem Gesetz beteiligt war.