Zehn bis Zwölf Online-Durchsuchungen
Diese Hausnummer wird von Sicherheitspolitikern und dem BKA-Chef immer auf ein Jahr normiert angegeben (d.h. es soll angeblich nur zehn bis zwölf Online-Durchsuchungen geben). Schaut man sich allerdings den vorweihnachtlichen Wunschzettel dieser Herren an, so fragt man sich, welche Zahl denn nun stimmt. Aber klug wie sie nun einmal sind, die klügsten Männer der Welt, meinten sie wahrscheinlich zehn bis zwölf Online-Durchsuchungen nur auf den Festplatten potenzieller Terroristen. Die möglichen Anwendungsgebiete, die netzpolitik.org aufführt, sprächen nämlich für eine viel größere Zahl an eingesetzten „Bundestrojanern“ – und das trotz Stellenstreichungen bei der Polizei. Da hatte Ziercke also doch Recht, als er sagte, dass die „Remote Forensic Software“ (RFS) lediglich 0,01% der deutschen Bevölkerung tangiere. Teilweise werden allerdings auch 0,1% genannt, was statt 8.000 nur 80.000 Bundesbürgern entspricht, also um nur eine Größenordnung abweicht und damit „mit Sicherheit“ noch im Rahmen der Toleranzgrenen liegt. Bei so klaren und einheitlichen Standpunkten und so standhaften Ideen ist es natürlich kein Wunder, dass sich der Bürger sogar trotz „abstrakt erhöhter Sicherheitslage“ immer noch sicher in seiner Heimat fühlt.
Ein weiterer Grund dafür könnte natürlich auch die Forderung der Union, vorgetragen durch Hessens Innenminister Volker Bouffier, sein, Nicht-Deutschen, die eine Ausbildung in ausländischen Terrorcamps absolviert oder einen Terrorauftrag haben, die Einreise zu verwehren. Neben den Vorteilen dieser Forderung, die Spiegel Online aufführt, kommt dazu, dass deutsche Terroristen auch mit deutscher Gründlichkeit zu Werke gehen. Von der Qualität made in Germany konnte man sich bereits in den späten Siebziger Jahren eindrucksvoll überzeugen: gezielte und präzise Aktionen wie z.B. der Selbstmord ohne Kollateralschaden.
Verfeinerung der Terroristensuche per RFS
Mit der gleichen Präzision wird „mit Sicherheit“ auch das BKA den „Bundestrojaner“ durch seine zwei programmierenden Polizisten entwickeln, sobald die CDU genug Terrorangst geschürt hat, dass endlich auch die SPD einlenkt. Gute deutsche Wertarbeit, jawohl, wird es sein, die die ganzen Zweifler, die nun sagen, „von wegen 99,9%“, widerlegt. Das Problem mit den offenen W-LANs, die u.U. ins Fahndungsraster kämen, ließe sich ganz bürokratisch lösen: Jeder Betreiber eines W-LANs ist als Internet-Service-Provider (ISP) einzustufen. Damit hat er gewisse Prüf- und ggf. Sperrpflichten und muss ab dem 1.1.2008 auch alle Verbindungsdaten ein halbes Jahr lang speichern. Da aber Computer seit neuestem „neuartige Empfangsgeräte“ sind, ist jeder W-LAN-Betreiber außerdem ein „neuartiger Rundfunksender“ und es wunderte mich nicht, wenn die allermeisten der Betreiber keine Sendelizenz besäßen. Was waren also noch W-LANs?
Damit die „Counter Terrorists“ (so heißen die Polizisten im nicht gewerkschaftsnahen Computer-/Baller-/Killer-Spiel Counter Strike) Schäuble und Ziercke endlich mal 'ran dürfen, den Bürgern „die Freiheit [zu nehmen – d. Autor], um im Flugzeug abzustürzen“, soll allerdings nicht die Privatisierung der deutschen Luftsicherung nach schweizer Vorbild aufgegeben werden, sondern es muss vielmehr sichergestellt werden, dass der so genannte aber natürlich keinesfalls so arbeitende „Bundestrojaner“ auch das digitale Schlafzimmer schützt. An dieser Stelle möchte ich dem Gesetzgeber daher vorschlagen, von den Bürgern eine Einteilung seiner Computerfestplatte analog zu einer Wohnung zu fordern. Im Verzeichnis „Schlafzimmer“ hat der Bundestrojaner dann nichts zu suchen – außer es geht vielleicht gegen Kinderpornografie; diese Ausnahme bringt allerdings erst das Service Pack 1 für die Remote Forensic Software mit. So dürften auch die Liberalen, die in ihrer liberalen Natur selbstverständlich dem Bürger die „Freiheit, um im Flugzeug abzustürzen“, lassen wollen, zufrieden gestellt sein.
Zum Abschluss: Wie es überhaupt so weit kommen konnte
Nicht nur, dass Bundesinnenminister Schäuble als Jurist vollkommen „zu Recht“ keine rechtsfreien Räume wie das Internet mag, sondern auch die Tatsache virtueller Welten ist die Wurzel allen Übels:
Irgendwann sei ein Punkt erreicht, wo die „von realen Menschen programmierte virtuelle Welt Macht über Menschen in unserer Mitte“ gewinnt, sagt Schäuble. An diesem Punkt „wird die absolute Offenheit des virtuellen Raums zur Gefahr für die offene Gesellschaft und ihre Verfassung als freiheitlicher Demokratie.“
Wenn man erst einmal versteht, dass die Offenheit zur Gefahr für die offene Gesellschaft wird, dann weiß man auch, wo das Problem mit der Freiheit liegt, oder?