Konsequent Inkonsequenter Datenschutz
Man fragt sich schon so manchmal, in was für Zeiten man lebt:
Da klagen Tausende gegen die staatliche Vorratsdatenspeicherung und lassen ihre Daten bei Unternehmen auf Vorrat speichern.
Ich möchte damit keineswegs die ehrenwerten Ziele der Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung in Frage stellen, sondern stattdessen aufzeigen, dass es damit alleine nicht getan ist, sofern man nicht die weitergehenden Konsequenzen daraus zieht: Schon jetzt ist die privatwirtschaftliche Vorratsdatenspeicherung Realität und dass sogar tiefgreifender als es aktuell die Bundesregierung beschlossen hat. Schon jetzt werden persönliche Daten, die beim Einkauf mit Rabatt- oder Kreditkarten anfallen, mit anderen Daten aus Umfragen oder Gewinnspielen verknüpft, so dass private Stellen sehr detaillierte Profile ihrer Kunden haben – und das größtenteils unkontrolliert. Der „Mehrwert“ des Kunden soll dabei zielgerichtete Werbung sein – der Mehrwert der Unternehmen sind intime Kenntnisse über die einzelne Person, die sich für einiges an Geld weiterverkaufen lassen. Das ist ein lohnendes Geschäft für den Datensammler, nur leider nicht den Lieferanten. Darüber hinaus wecken solche Datenbestände nicht nur Begehrlichkeiten, sondern beinhalten auch ein erhebliches Missbrauchspotenzial zum Schaden des Kunden. Und der sorglose Umgang mit der eigenen Persönlichkeit ist an der Ladentheke noch lange nicht zu Ende, sondern geht im so genannten Web 2.0 munter weiter.
Die Begehrlichkeiten sind übrigens Bestandteil etlicher Politikerreden, deren Ziel die Verharmlosung der Vorratsdatenspeicherung und anderer Überwachungsmaßnahmen ist: Der Bürger vertraut sich doch ganz freizügig Unternehmen an, dagegen ist unser bisschen Überwachung doch marginal.
Sie befürworten im Kollektiv Videoüberwachung, solange bis sie als Individuum in den Fokus geraten.
Videoüberwachung wird immer wieder als das Allheilmittel gegen Vandalismus, Terrorismus, …ismus angesehen und propagiert, dabei merken die überwachten gar nicht, wie sie sich an die Überwachung anpassen und ihre ausdifferenzierte Persönlichkeit der Masse angleichen. Tote Fische schwimmen mit dem Strom
, sagt ein Sprichwort dazu.
Doch bereits ein richtiger Kontakt mit der falschen Person sorgt dafür, dass ein einzelner Fisch im Netz zappelt. Vielleicht schauen sogar ein paar andere Fische zu, aber sie werden höchstens dem gefangen Fisch die Schuld zuschieben, nicht dem Angler: Wer sich auch so auffällig verhält … Und natürlich der Klassiker schlechthin: Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.
Sie verurteilen die Rasterfahndung, aber modellieren ihr soziales Netz öffentlich im Internet.
Wir erinnern uns an die Zeit kurz nach dem 11.09.2007, als auch in unserem Rechtsstaat per Rasterfahndung versucht wurde, potenzielle Terroristen zu finden. Welchen Asten (Allgemeine Studentenausschüsse) sind dagegen nicht alles Sturm gelaufen und haben sogar erflgreich geklagt? Und wer von denen oder den Studenten, die ebenfalls gegen die Kriminalisierung ihrer Kommilitonen waren, machen heutezutage eine Rasterfahndung sehr einfach, indem sie ihr soziales Netz öffentlich im Internet modellieren? Diese Beziehungen und Daten der Beteiligten sind frei für jedermann verfügbar sind, das Missbrauchspotenzial wie oben beschrieben groß, wenn nicht sogar größer: Neben den eigenen Daten gibt man die seiner Freunde gleich mit preis. Datenschutz ist hier nicht nur der Schutz der eigenen, sondern auch befreundeter Persönlichkeiten. Angesichts existierender Alternativen ist der „Preis“ der Nichtteilnahme auf dem „Markt der Eitelkeiten“ eigentlich gering – aber Datenschutz ist ungeil. Das gilt leider nicht nur für die Bürger, sondern auch die Medien, denen anscheinend einiges an Sensibilität gegenüber dem drohenden Überwachungsstaat droht, obwohl er auch ihre journalistische Arbeitsgrundlage drastisch einschränkt. Dem will der Initiator des Projekts 82 Megaohm mit etwas Neuem, Anderem entgegen wirken lassen.
Abschließend
Ich finde das alles konsequent inkonsequent.
Und als wirklichen Abschluss eine kleine Denksportfrage vom Journalisten Peter Glaser aus einem Interview mit Neue Gegenwart ®:
Was ich viel interessanter finde ist die Frage, ob wir unser Geheimnis verlieren, wenn unsere Daten und Profile einbehalten und verarbeitet werden, oder ob da nicht noch etwas ganz anderes ist, an dem jede Maschine scheitert.
1 dirk schrieb am 16.12.2007:
hast du dazu quellen?
2 dirk schrieb am 16.12.2007:
du triffst auf jeden fall den punkt: wie geh ich selbst verantwortungsvoll mit meinen daten und vor allem auch denen der anderen um. dennoch glaube ich gibt es einen unterschied zur staatlich verordneten vorratsdatenspeicherung: die freiwilligkeit ist weg, auch wenn es vielleicht den meisten nicht bewußt war / ist, was sie öffentlich "abbilden".
interessant finde ich in diese zusammenhang der privatwirtschaftlichen datenerhebebung
das zeit-interview mit spiros simitis - ein auszug:
3 Robert (Admin) aus Baunatal/Deutschland schrieb am 16.12.2007:
Konkrete Quellen für diese Behauptung habe ich leider nicht, aber es bekannt, dass die mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel erhobenen Daten gerne auch an andere Unternehmen weiterverkauft werden, sofern man die Weitergabe nicht explizit ausschließt. Bei Payback sah es ursprünglich so aus, dass die Daten recht freizügig zwischen den Unternehmen verkehrten, jetzt ist allerdings Payback bzw. Loyalty Partner die zentrale Datensammelstelle:
In wie fern diese Einschränkung noch existiert, wenn man bei Unternehmen eines der großen Handelskonzerne einkauft, ist mir nicht bekannt. Aus den o.g. „Datenschutzhinweisen“ lässt sich allerdings interpretieren, dass die einzelnen Unternehmen schon speichern können, was ich bei ihnen kaufe.
Du hast natürlich Recht, dass ich bei privaten Stellen meine Daten prinzipiell freiwillig hergebe (es muss keiner mit der Kreditkarte bezahlen oder eine Rabattkarte nutzen), aber es gibt durchaus Programme, bei denen ein freiwilliger Zwang herrscht, z.B. die Schufa. Und bei dem Datenhunger manch staatlicher Stellen kann es durchaus sein, dass die Preisgabe persönlicher Daten wie der Kommunikation oder in sozialen Netzen ähnlich „freiwillig“ erfolgt.
Im Zusammenhang mit dem Schlusssatz meiner Kolumne finde ich übrigens folgende Aussage Simitis' recht interessant: