22. Juli 2004, 20:11:54 MESZ
Sehr geehrter Herr Berninger,
Sie sind zwar im Ministerium für Verbraucherschutz tätig, weshalb ich mich quasi fachfremd an Sie wende, aber wie die Entscheidung Deutschlands zum Thema Patentierbarkeit computer-implementierter Erfindungen gezeigt hat, scheint es in diesem Lande einen Informationsbedarf zu geben. Ich möchte Ihnen als Vertreter meines Wahlkreises darlegen, weshalb ich gegen Software-Patente bin und hoffe, dass diese Entscheidung revidiert wird:
Patente dienen dazu geistiges Eigentum zu schützen, damit „sich Erfindungen auch lohnen“. Einige bekannte und für Software-Entwickler wie mich abschreckende Beispiele finden Sie auf den Seiten des Förderverband für eine freie informationelle Infrastruktur, http://www.ffii.org/, z.B. „Softwarepatente in Aktion“, http://swpat.ffii.org/patente/wirkungen/index.de.html sowie „Europäische Softwarepatente: Einige Musterexemplare“, http://swpat.ffii.org/patente/muster/index.de.html. Diese Beispiele zeigen aber wie sehr Patente Innovationen behindern bzw. verhindern. Gerade in der Software-Branche scheint sich leider der Trend durchzusetzen Selbstverständlichkeiten in Form sogenannter Trivialpatente zu schützen. Folge ist, dass auf andere, umständlichere, unsichere, unpraktikable oder suboptimale Lösungen für Probleme zurückgegriffen werden muss.
Meine Meinung zu Erfindungen und Patenten ist, dass diese zum Wohle der Allgemeinheit eingesetzt werden sollten. Das Verhalten westlicher Pharmakonzerne gegenüber der unter AIDS leidenden afrikanischen Bevölkerung zeigt sehr eindrucksvoll, dass dies nicht der Fall ist. In der Softwarebranche werden mit Patenten Innovationen verhindert und der Mittelstand erheblich geschwächt. Auch hier dienen Patente nur dazu die Konkurrenz mit Lizenzforderungen auszubremsen und einen fairen Wettbewerb zu unterbinden. Aus diesen Gründen bin ich, gerade auch als Software-Entwickler, gegen Software- und Trivalpatente.
Mit freundlichen Grüßen und um mit einem Zitat zu schließen, Knowledge, sir, should be free to all!
-- Harry Mudd, “I, Mudd”, stardate 4513.3
Am 05. August 2004 erhielt ich darauf folgenden Antwort:
Sehr geehrter Herr Bienert,
vielen Dank für Ihre Anmerkungen zu Software-Patenten. Herr Berninger hat mich gebeten, Ihnen die Position der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen darzustellen.
Bündnis 90/Die Grünen hat sich immer strikt gegen die Patentierung von Software ausgesprochen. Wir sind der Auffassung, dass diese Patente vor allem Großunternehmen nützen und kleinen und mittleren Unternehmen schaden: Nur größere Firmen verfügen über eigene Patent- und Rechtsabteilungen, die entsprechende Recherchen und Anmeldungen effizient abwickeln können. Die zunehmende Patentierbarkeit von Software wird dazu führen, dass der Wettbewerb um Innovationen hinter juristische Auseinandersetzungen zurücktritt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden ebenfalls leiden, da Software womöglich teurer und in ihrer Vielfalt eingeschränkt sein wird.
Außerdem befürchten wir negative Auswirkungen für Open-Source- und Freie Software, da das Patentrecht nach Geheimhaltung bis zur Patentanmeldung verlangt. Ein offener Entwicklungsoprozess funktioniert jedoch mit einer solchen Geheimhaltung nicht. Open-Source-Entwickler können daher keine Patente erwerben und sind automatisch angreifbarer als große Firmen mit einem umfangreichen Patentportfolio.
Jedoch ist bereits in den letzten Jahren die Patentierbarkeit von Software durch die Praxis der Patentämter und die Rechtssprechung immer weiter ausgedehnt worden. Wünschenswert ist von unserer Seite eine Änderung und Klarstellung der derzeitigen Rechtslage, um die schleichende Ausweitung der Patentierbarkeit zu verhindern.
Wir wollen unsere Softwareentwickler stärken, indem wir Bedingungen schaffen, die Innovation und Unternehmergeist fördern. Wir dürfen uns nicht zur Ausweitung des Patentrechts verleiten lassen und es ist sicherzustellen, dass die kreative Arbeit von Programmierern unter keinen Umständen als Patentverletzung irgendwelcher Art betrachtet wird. Software ist durch das Urheberrecht angemessen geschützt.
Momentan befindet sich eine entsprechende EU-Richtlinie zum Umgang mit Softwarepatenten im europäischen Abstimmungsprozess.
Das europäische Parlament hat in erster Lesung eine Fassung verabschiedet, die zahlreiche Einschränkungen für das Erteilen von Softwarepatenten enthällt. Es gibt also die berechtigte Hoffnugn, dass Patente aus Software auch zukünftig nur sehr eingeschränkt möglich sein werden.
Dies ist insbesondere auch ein ERfolg der grünen Fraktion im Europaparlament, die Softwarepatente vehement ablehnt.
Die Debatte ist aber längst nicht beendet. Inzwischen hat der EU-Rat eine geänderte Fassung der Richtlinie angenommen, die Softwarepatente auf wesentlich breiterer Basis, als ursprünglich vom Parlament beschlossen, ermöglicht. Jetzt ist das europäische Parlament wieder am Zug. Bündnis 90/Die Grünen werden sich dafür einsetze, dass sich die Abgeordneten weiterhin gegen eine Patentierung von Software aussprechen. Am Ender des europäischen Gesetzgebungsprozesses könnte es auch zu einem Vermittlungsverfahren zwischen Rat und Parlament kommen. Endgültig beschlossen wird die Richtlinie erst in der dritten Lesung des Parlamentes, anschliessend wird der Prozess zur Umwandlung in nationales Recht der Mitgliedsstaaten eingeleitet. Es gibt also ncoh Spielraum für Veränderungen an der umstrittenen Richtlinie.
Nicht alle aktuellen Äußerungen aus Bundesministerien zu diesem Thema finden unsere Zustimmung. Es ist ein gemeinsamer Antrag für den Bundestag in Vorbereitung, in dem die beiden Koalitionsfraktionen ihre Haltung zum weiteren Vorgehen in Sachen Softwarepatente detailliert darlegen werden.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Thomas Flügge