22. Juli 2004, 20:11:36 MESZ
Sehr geehrter Herr Hartenbach,
Sie als Staatssekretär im Bundesjustizministerium dürften sich grob mit Patenten auskennen. In einer ersten Entscheidung zum Thema Software-Patente hat ihre „Chefin“ Frau Zypries für viele überraschend für die Patentierbarkeit computer-implementierter Erfindungen gestimmt, weshalb ich einen Informationsbedarf sehe. Lassen sie mich ihnen als Vertreter meines Wahlkreises kurz darlegen, weshalb ich gegen diese Entscheidung bin und hoffe, dass diese revidiert wird:
Patente dienen dazu geistiges Eigentum zu schützen, damit „sich Erfindungen auch lohnen“. Einige bekannte und für Software-Entwickler wie mich abschreckende Beispiele finden Sie auf den Seiten des Förderverband für eine freie informationelle Infrastruktur, http://www.ffii.org/, z.B. „Softwarepatente in Aktion“, http://swpat.ffii.org/patente/wirkungen/index.de.html sowie „Europäische Softwarepatente: Einige Musterexemplare“, http://swpat.ffii.org/patente/muster/index.de.html. Diese Beispiele zeigen aber wie sehr Patente Innovationen behindern bzw. verhindern. Gerade in der Software-Branche scheint sich leider der Trend durchzusetzen Selbstverständlichkeiten in Form sogenannter Trivialpatente zu schützen. Folge ist, dass auf andere, umständlichere, unsichere, unpraktikable oder suboptimale Lösungen für Probleme zurückgegriffen werden muss.
Meine Meinung zu Erfindungen und Patenten ist, dass diese zum Wohle der Allgemeinheit eingesetzt werden sollten. Das Verhalten westlicher Pharmakonzerne gegenüber der unter AIDS leidenden afrikanischen Bevölkerung zeigt sehr eindrucksvoll, dass dies nicht der Fall ist. In der Softwarebranche werden mit Patenten Innovationen verhindert und der Mittelstand erheblich geschwächt. Auch hier dienen Patente nur dazu die Konkurrenz mit Lizenzforderungen auszubremsen und einen fairen Wettbewerb zu unterbinden. Aus diesen Gründen bin ich, gerade auch als Software-Entwickler, gegen Software- und Trivalpatente.
Mit freundlichen Grüßen und um mit einem Zitat zu schließen, Knowledge, sir, should be free to all!
-- Harry Mudd, “I, Mudd”, stardate 4513.3
Am 10. August 2004 erhielt ich darauf folgenden Antwort:
Sehr geehrter Herr Bienert,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 23. Juli 2004 an Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Alfred Hartenbach. Er hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
In Deutschland und Europa werden seit mehr als 20 Jahren Patente für computerimplementierte Erfindungen auf Basis der geltenden Gesetze erteilt. Diese Gesetze sind in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nahezu identisch. Lediglich in der Anwendung der Gesetze durch die Patentämter und Gerichte in den Mitgliedstaaten hat es Unterschiede gegeben. Da dies einem einheitlichen Binnenmarkt entgegensteht, soll mit der geplanten EU-Richtlinie eine Harmonisierung stattfinden, indem die Vorschriften konkretisiert werden. Deutschland hat am 18. Mai 2004 der politischen Einigung über einen gemeinsamen Standpunkt zugestimmt, weil es in der Sitzung gelang, ausreichend konkrete Bestimmungen durchzusetzen, die „Trivialpatente“ ausschließen sollen. Bei der Richtlinie geht es nicht um eine „Legalisierung“ von angeblich illegalen Patenten. Es geht auch nicht darum, ausländischen Patenten Geltung zu verschaffen. Reine Software ist und bleibt nicht patentierbar, ebensowenig Algorithmen oder Geschäftsmethoden. Patentierbar ist immer nur eine Erfindung. Nach einer anerkannten – zugegebenermaßen etwas komplizierten – Definition ist eine Erfindung eine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur unmittelbaren Erreichung eines kausal übersehbaren (technischen) Erfolges. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass eine Erfindung als einen von mehreren Bestandteilen möglicherweise auch ein Datenverarbeitungsprogramm enthält. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das ABS-System, bei dem im Zusammenwirken verschiedener Elemente auch Software eine Rolle spielt. In diesem Rahmen, und auch nur in diesem Rahmen, wird diese spezifische Software vom Patentschutz umfasst. Es gibt daher keine Patente nur auf Software oder auf Geschäftsmethoden.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob die von Ihnen befürchtete innovationshemmende Wirkung von Patenten realistisch ist. Seit über 20 Jahren gibt es Patente auf computerimplementierte Erfindungen. Diese Patente sind auf der Basis des geltenden Rechts legitim erteilt worden und daher wirksam, soweit nicht Einspruch eingelegt oder Nichtigkeitsklage erhoben wurde. In dieser Zeit haben sich sowohl der Bereich der freien Entwickler als auch die eher proprietär orientierten Firmen nebeneinander gleichermaßen erfolgreich entwickelt.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag