Das Internet als Feindesland
Ja, wer hätte gedacht, dass es auch im „globalen Dorf“ No-Go-Areas gibt bzw. geben soll, vornehmlich für Kriminelle, Terroristen – oder sicherheitsbewusste Bürger. Im „Kampf gegen den Terror“ ist jedes Mittel recht und billig, auch wenn man vielleicht das eigene Volk „terrorisiert“. Schließlich kann es ja nicht angehen, dass Kriminelle die virtuellen Hinterlassenschaften ihrer Verbrechen verschlüsselt ablegen und dann der Polizei frech entgegnen, dass sie das Passwort vergessen hätten. Da kommt die Forderung der britischen Polizei, Verdächtige unter Androhung einer Strafe zur Herausgabe des Passworts zu veranlassen, doch genau richtig. Natürlich muss der Verdächtige nachweisen, dass er den Schlüssel verlegt hat, angesichts der Tatsache von rund 30(!) Fällen in Großbritannien, bei denen die Cops nicht weiterkamen. Es liegt schließlich wie selbstverständlich auf der Hand, dass der Kampf gegen das Böse in der Welt (verschlüsselt seine Daten) die Prävention von Straftaten (durch Verschlüsselung) verhindern darf und das rechtsstaatliche Grundsätze (Unschuldsvermutung) zurückstecken müssen.
Doch trotz der Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten zu Gunsten des „Kampfes gegen Terror“ wissen wir seit kurzem (wie groß Sommerlöcher doch sein können), dass der Kampf noch nicht intensiv ist: Vereitelte Anschläge (in London) sind immer noch nicht gut genug (wir in Deutschland hatten wohl noch einmal Glück). Da allerdings die Bekämpfung der Ursachen des Terrorismus kompliziert und kostspielig ist, wird lieber versucht, den Terrorismus zu bekämpfen. Im eigenen Interesse hoffen wir mal, dass auch letzteres funktioniert, obgleich ersteres sinnvoller und effizienter (endlich kann ich dies Wort wieder hervorkramen) ist. Da trifft man sich z.B. in London, um Das Internet zum Feindesland für Terroristen zu machen. Dies soll unter Anderem vermutlich durch die Errichtung eines „europäischen Internetlimes“ geschehen, ähnlich der chinesischen Mauer im Internet. Wer dann nach »Bombenbauanleitung« sucht wird wohl nur noch Backrezepte finden, während eine Erforschung des Terrorismus und seiner Hintergründe nicht mehr möglich ist – da nur noch die Terroristen in ihren Stützpunkten und nicht mehr unsere Kriminologen die einschlägigen Seiten erreichen können.
Was mir allerdings zu Denken gibt: Im Telepolis-Artikel wird eine gemeinsame Erklärung der europäischen Innenminister zitiert:
Man dürfe […] den Terroristen nicht erlauben, "die Werte und Rechte der Individuen zu untergraben, die unsere Gesellschaften zusammenhalten"
Irritierenderweise untergraben einige Antiterror-Gesetze die Werte und Rechte der Individuen, die unsere Gesellschaft zusammenhalten. Aber dies scheint auch nötig, denn
Keine Freiheit den Feinden der Freiheit
Aber sind wir der Freiheit(lich demokratischen Grundordnung) so feindlich gegenüber eingestellt, dass wir unsere Freiheit einschränken müssen? Ich für meinen Teil bin es definitiv nicht und halte die Freiheit des Einzelnen und die Demokratie für die Werte, die unsere Gesellschaft zusammenhalten. Von daher besteht kein Anlass
- meinen Reisepass mit einem Funkchip auszustatten, den auch jeder Kriminelle auslesen kann
- meine Kommunikationsverbindungsdaten zwei Jahre zu speichern
- mein Verhalten möglichst immer und überall zu filmen
- ein Bewegungsprofil mittels Handy- und Mautdaten aufzuzeichnen
- weitere Verstöße gegen Grundrechte anzuführen, um auf Paradoxien hinzuweisen