Klassisches Eigentor
Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, muss aufpassen, dass ihn keiner anstubst. Diese Erfahrung musste Bundeskanzlerin Merkel dieser Tage beim Treffen mit Russlands Präsident Putin in Samara machen: Merkel kritisierte die Unterdrückung der russischen Opposition durch mächtige staatliche Gewalt, wie zuletzt vor einigen Wochen groß berichtet wurde; konkret ging es diesmal darum, dass Oppositionellen der Zugang zum Gipfel in Samara verwehrt wurde. Und Putin der alte Haudegen weiß dank langjähriger Tätigkeit als KGB-Offizier und russischer Präsident, wie man so einem Hieb nicht nur ausweicht, sondern gekonnt kontert: Er hielt Merkel einfach das juristisch nicht legitimierte Vorgehen gegen den friedlichen G8-Protest vor. Ist es eigentlich bitter oder peinlich, wenn man derart den Spiegel vorgehalten bekommt, was in der Konsequenz ja bedeutet, dass man sich von „offensichtlich totalitären Staaten“ nur wenig unterscheidet?
Die Aktionen der Strafverfolgungsbehörden seien "nicht immer angebracht", aber im Prinzip sei es überall gleich.
Hier passt die Formulierung »im Prinzip«, die im Prinzip meistens überflüssig ist, sehr gut: Im Prinzip ist der Unterschied zwischen dem Auftreten der russischen Einsatzkräfte und der von Schäuble skizzierten „abstrakten Bedrohungslage“ und seiner Antwort (natürlich der Klassiker: Bundeswehr im Inneren) gar nicht mehr so groß. Aber Merkel und ihr Sekundant Schäuble haben die Rechnung ohne einen weiteren alten Haudegen gemacht, denn schon der Volksmund weiß: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte (ich gebe zu: Wenn etwas hinkt, ist es ein Vergleich). Und dieser dritte ist kein geringerer als das neue, bereits duellerprobte Attac-Mitglied Heiner Geißler:
Die Reaktion Putins ist doch verständlich. Da kann sich Angela Merkel bei denen bedanken, die dieses umfassende Demonstrationsverbot für Heiligendamm erlassen haben.
Ein klassisches Eigentor eben.