Roberts Kolumne

Roberts Kolumne ist eine Kolumne im klassischen Sinne, mit der Möglichkeit, „Leserbriefe“ zu hinterlassen: Definitiv subjektiv, sanft satirisch und gerne auch mal populistisch.

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IIII quer IIII quer II

Eingestellt am 25. September 2007 um 20:13 Uhr » Kommentar Gesellschaft Medien und Informationen (Lokale) Kultur

Am vergangenen Sonntag war der letzte Tag der zwölften Weltkunstausstellung documenta in Kassel. (Der Titel dieses Beitrags IIII quer IIII quer II stellt eine Interpretation des offiziellen documenta-Logos bestehend aus zwölf Strichen dar.) Im Folgenden soll es nachträglich eine Auseinandersetzung mit dem „selbst vergebenen Bildungsauftrag“ der Ausstellung sowie auch den documenta-Kritiken und -Kritikern geben.

document a: Eindrücke

Die Auswahl und Platzierung der Exponate dieser documenta 12 lässt sich meiner Meinung nach tatsächlich mit den drei Leitmotiven beschreiben:

  1. Ist die Moderne unsere Antike?
  2. Was ist das bloße Leben?
  3. Was tun?

Zur Klärung der ersten Frage trägt nicht nur die Tatsache bei, dass ein Großteil der Kunstwerke in den Kasseler Museen ausgestellt worden ist. So beherbergte die Neue Galerie für einhundert Tage nicht die dort sonst üblicherweise ausgestellten „Alten Meister“, sondern moderne Kunst. Und auch im Schloss Wilhelmshöhe klappte das nebeneinander. Aber das beste Beispiel für dieses Leitmotiv lieferte der chinesische Künstler Ai Weiwei mit dem Kunstwerk »Template«, welches nur wenige Tage nach Ausstellungseröffnung im Unwetter zusammenstürzte. Angesichts der Schnelllebigkeit unserer Zeit ist die Frage vollkommen berechtigt, schließlich ist alles, was heute modern ist, morgen bereits Antik.

Der zweite Aspekt kam besonders in Werken von Künstlern aus dem Nahen Osten oder indianischen Ursprungs zum Ausdruck. Insgesamt ist mir aufgefallen, dass existenzielle Fragen sehr stark betont und globale Konflikte ausgiebig thematisiert wurden. Die d12 tritt damit in gewisser Weise in die Fußstapfen der d11, setzt allerdings neue Schwerpunkte. Auch wenn viele, die sich selbst als Kunstliebhaber bezeichnen, dieser (und schon der vorherigen) documenta ankreiden, dass sie nicht nur ästhetische Formen zeigte, so finde ich es dennoch richtig, dass die genannten Themen und Konflikte verarbeitet und dem Besucher zur eigenen Verarbeitung präsentiert wurden.

Die dritte Frage kann nun die Antwort darauf und auch auf das erste Leitmotiv liefern, wie z.B. Mary Kellys Raum in der Neuen Galerie, in dem der Betrachter interessante Einblicke in Motivation und Handlungsweise der Frauenbewegung in den 1960ern gewinnen konnte. Die Frage Was tun? impliziert direkt eine Folgehandlung, was die einzige Möglichkeit der Problemlösung darstellt, da das berühmte und von deutschen Bundeskanzlern perfektionierte „Aussitzen“ lediglich das Graswachstum über einer Angelegenheit beschleunigen sollen. Ich glaube allerdings auch gar nicht, dass sich dieses Leitmotiv auf die „große Politik“ bezieht, auch wenn einige ihrer Vertreter den Weg nach Kassel gefunden haben. Stattdessen ist damit „Otto Normal“ gemeint, wie auch der documenta-Beirat bei einem Besuch im AStA der Uni Kassel erläuterte. (Bei diesem Gespräch ging es um den Kampf gegen Studiengebühren.)

Mit dem von der Ausstellungsleitung vorgegeben Bildungsbezug schließt sich der Kreis zur Präsentation der Kunstwerke: Kein Exponat steht für sich allein, sondern muss im Kontext gesehen werden. D.h. zwischen allen Werken in einem Raum besteht eine Verbindung, die sich erst erschließt, wenn man sich mit allen beschäftigt hat. Man sammelt quasi einzelne Informationspuzzleteile ein, die man sukzessive zu einem fertigen Bild zusammensetzt. Solche Aha-Erlebnisse blieben selbst dem Besucher, der die documenta ohne Führung besuchte, nicht verschlossen. Insofern und um noch einmal auf den Begriff der Bildung zurückzukommen, halte ich im Gegensatz zur Empfehlung auf dem Flyer „Kunstvermittlung“ eine Führung für nicht zwingend notwendig: Bildung kann nicht vermittelt werden, sondern nur Informationen; Bildung entsteht erst im Kopf des Betrachters.

document b: Kritiker und Kritiken

Da auch diese Kolumne praktisch eine documenta-Kritik darstellt, möchte ich noch kurz einige Worte dazu verlieren: Mir scheint der gegen Ende der Ausstellung ausgetragene Grabenkampf zwischen Roger Martin Buergel und einigen Kritikern nichts weiter als ein akademisches Duell über die inhaltliche Ausrichtung der Ausstellung und die Profession deren Leiters. Meiner Ansicht nach hat Buergel die documenta 12 bewusst als Ausstellung für die Menschen und nicht den Kunstbetrieb mit seinen etablierten Stars und eitlen Feuilletonisten konzipiert. Dass letztere dies als Angriff auf ihren Elfenbeinturm finden, scheinen so mancher Verriss und Kommentar zu bestätigen. Aber wem hat es geschadet, dass die d12 mehr „ARD“ als „arte“ war? Und selbst wenn, hatte die Ausstellung nicht ihren Anspruch dem Besucher gegenüber verloren, sondern verlangte auch von ihm Mitarbeit geistiger Natur. Bei der gewählten Thematik und Problematik darf es darüber hinaus erlaubt sein, ein großes Publikum anzusprechen, gerade auch um Antworten für das dritte Leitmotiv zu finden. Das Paar Buergel-Noack hat eine gute documenta veranstaltet.


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