Chefsache der Lokalzeitung
Wie berichtet, sieht sich die nordhessische Monopolzeitung HNA plötzlich außerstande, die Programme der lokalen Bürgersender in einer leserfreundlichen Form abzudrucken. Als Begründung für diesen Schritt wurde von der Kassel-Redaktion „mehr Service“ (sic!) genannt, was auf einen „klassischen Kompromiss“ hinausläuft: Letztlich ist keinem geholfen, was in diesem Fall heißt, dass den Bürgersendern, die ein Stück mediale Vielfalt ins unterversorgte Nordhessen bringen, eine deutlich kleinere Plattform eingeräumt wird, damit andere Angebote ebenfalls bescheiden um die Aufmerksamkeit des Leser buhlen können. Aber so einfach scheint der Fall nicht zu liegen, da die Geschichte alle beschäftigt, die in der Zeitung etwas zu sagen haben, und außerdem eine gewisse Spannung mitschwingt. Die folgende Mail aus der Chefredaktion lässt sich im Grunde wieder auf meinen ausformulierten Vorwurf von Donnerstag reduzieren: Sollen die [ehrenamtlichen Radio- und Fernsehmacher] doch ihren Sendungen aussagekräftigere Namen geben!
Von: Chefredaktion
Datum: 18. Juli 2008 15:55:47 MESZ
An: meine WenigkeitSehr geehrter Herr Bienert,
vielen Dank für Ihre Mail. Die HNA-Redaktion gehört ja selbst zu denjenigen, die täglich das Programm des OK mitgestalten - insofern hat uns die Maßnahme, das Programm zu kürzen, ja selbst getroffen. Wir kommen um diesen Schritt nicht umhin, weil die Programmankündigungen ein Ausmaß angenommen hatten, das jedes halbwegs vertretbare Maß gelegentlich überstieg. Disziplinierungsversuche scheiterten - insofern haben die Programmmacher selbst zu diesem Umstand beigetragen. Im Übrigen behandeln wir nun alle Programma, auch die etablierten, gleich. Auch das ist mit Blick auf das Leserinteresse sicher eine richtige Maßnahme.
Wenn Sie noch Fragen haben - einfach anrufen.
Viele Grüße
Chefredaktion
Mir sind hierbei zwei (drei) Dinge aufgefallen (neben dem fehlenden Betreff), die verdächtig klingen:
Wir kommen um diesen Schritt nicht umhin, weil die Programmankündigungen ein Ausmaß angenommen hatten, das jedes halbwegs vertretbare Maß gelegentlich überstieg.
Diese Satzstellung lässt vermuten, dass das gelegentlich nicht im Gedankenstrom, sondern beim Korrekturlesen eingefügt worden ist, weil es nicht ganz zu seiner Position passen will. Mit anderen Worten: Sollen die ehrenamtlichen Radio- und Fernsehmacher doch ihren Sendungen aussagekräftigere Namen geben! Aber dieses eventuell eingefügte Wort gelegentlich macht es nicht besser, sondern zieht die Schlinge etwas weiter zu: Ausnahmen (einzelner Sendungen) müssen dafür herhalten, dass alle (Sendungen) schlechter behandelt werden. Klingt das sinnvoll?
- Der Vollständigkeit halber, weil es oben schon zweimal aufgeführt ist:
Disziplinierungsversuche scheiterten - insofern haben die Programmmacher selbst zu diesem Umstand beigetragen.
Es wäre allerdings schon einmal interessant zu erfahren, wie man sich einen solchen Disziplinierungsversuch vorzustellen hat. Für meinen Geschmack vergreift sich die Chefredaktion hier gehörig im Ton: Man diszipliniert Rüpel, aber doch keine friedfertigen Menschen! Und natürlich wie wir es schon aus der Kassel-Redaktion kennen: Die Schuld bei den anderen suchen.
Einfach anrufen
ist eine clevere Idee: Es gibt keine „Beweise“, man bekommt die Stimmung des anderen mit, es gibt keine rhetorische Bedenkzeit, man hat einen physischen Gesprächspartner (Telefonnummer). Der Nachteil eines Zwiegesprächs ist allerdings, dass man den nachbohrenden Fragen des Gegenübers nicht so einfach aus dem Weg gehen kann.
Und außerdem: Wie passt ein kommerziell arbeitendes Unternehmen zu einem (rechtlich) nicht-kommerziellen Bürgersender?
Wenn die Chefredaktion so gerne von mir angerufen werden möchte, müssen diese Fragen natürlich wegen Punkt 3 noch interviewgerecht aufbereitet werden. Eine Email wäre ja einfacher (zu einfach) …