Generation Doping
Ach ja, wie liebe ich die öffentliche Hexenjagd auf dopende Sportler, während man seinen Kindern daheim Ritalin einflößt und seinen Tagesablauf mit Koffein und Baldrian steuert. Ein unbekannter Student hat der Zeit seinen Selbstversuch mit Ritalin beschrieben, der ganz nebenbei ein trauriges Bild der aktuellen „Generation X“ (für X=Doping) zeichnet.
Medizinisch sei nach Aussage von Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie an der Psychiatrischen Uni-Klinik Göttingen, Ritalin das gleiche wie Kokain, nur geringer dosiert. Interessanterweise hieß es früher schon einmal, Mutter, der Mann mit dem Koks ist da
, und jetzt nimmt Ritalin diese Rolle ein. Die 80er, New Economy, diese ganzen Verlierermodelle überleben doch immer irgendwie. Mit allerdings einem Unterschied:
Sie sind die erste Generation, die eine Vernunftdroge konsumiert. Eine traurige Droge, ein Armutszeugnis.
LSD, Kokain und Ecstasy sein dem gegenüber mehr oder weniger „Spaßdrogen“, „zum Genießen“, gewesen. Wobei auch diese drei im Grunde eingesetzt werden (können), um bewusst die menschliche Leistungsfähigkeit für einen begrenzten Zeitraum zu steigern – Gehirndoping. Und wo ist jetzt der Unterschied zum dopenden Sportler?
Unbekannter Student: Ja, schon, aber was sagen Sie jemandem, der antwortet: Lieber ein Sklave mit 1,0 als ein freier Mensch, der durch die Prüfung fällt?
Hüther: Ich sage ihm: Wenn man anfängt, seine Affekte mit einer Pille zu kontrollieren, ist man kein Mensch mehr. Dann ist man ein Roboter.
Der Vergleich mit dem „Lance Armstrong der Wissenschaft“ angesichts des Ritalin-Dopings vor einer Klausur könnte die Zeit allerdings teuer zu stehen kommen – oder habe ich verpasst, dass Lance doch des Dopings überführt worden ist? Allen Mutmaßungen zum Trotz gilt doch immer noch die Unschuldsvermutung (außer die existiert beim Radsport nicht mehr). Aber Roboter dürfte es im Sport (und in der Uni) viele geben, die ihre Leistungen erdopen und ihr Gewissen entdopen. Parallel zum Sport haben sich der Modularisierung sei Dank auch in der Lehre die Leistungsanforderungen erhöht. Vielleicht sollte man auf das mutmaßliche „chinesische Modell“ umsteigen und sich als fortgeschrittener Student in Anfängerklausuren setzen. Aber die „Vernunftdroge“ lässt soviel Kreativität vielleicht gar nicht zu:
Sie empfinden keine Neugier, kein Bedürfnis nach menschlichen Bindungen und sind weniger kreativ. Deshalb nehmen eher BWL- und Medizinstudenten Ritalin, weil dort weniger Kreativität verlangt wird.
Damit hinkt dann der Vergleich zu den „konventionellen Spaßdrogen“ dann doch ein wenig. Das Schlusswort erinnert allerdings dann doch ein wenig an die EPO-Zeiten im Radsport:
Ich habe meine Freunde gefragt, ob sie mich verstehen. Sie fragten zurück, ob ich noch welche von den Pillen übrig habe.
1 Jonas schrieb am 15.04.2009:
Äußerst interessant... da der Leistungssport für mich persönlich nur distanziert in den Medien abläuft, fing ich an die ständigen Doping-Skandale als Doping-Routine zu betrachten, belächelte jede Meldung ( bei Hoffenheim wurde es sogar etwas lauter) und untergrub mental die Ernsthaftigkeit der Thematik.
Dass das für mich aktuelle Studienumfeld derartig betroffen ist, war mir nicht bewusst. Sicher, synthetische und nicht synthetische, legale und auch illegale Drogen scheinen beim Lexikoneintrag unter "Student" dazuzugehören wenn es um Freizeitgestaltung geht, wie es manchmal scheint, aber Gehirndoping? Koffeintabletten, Magentabletten, Nahrungsergänungen, seltsamer mir unbekannter Arzneikram etc. werden in meinem Umfeld (Grundstudium) routiniert konsumiert, gerade zur Prüfungszeit - Tendenz sowohl in Menge, als auch in Konsumentengruppe steigend. Wie es in höheren Semestern aussieht, kann ich noch nicht berichten, aber ein Fortschreiten dieser Gewohnheiten scheint unausweichlich.
Mich würden an dieser Stelle ein paar Zahlen interessieren...
der Einstieg in diese Art der Drogenszene geschieht sehr subtil wie mir scheint.
2 Kenny aus Fallingbostel schrieb am 22.07.2010:
Ich hasse Sportler, die Dopen. Es entsteht ein absoluter Leistungsdruck und schadet dem gesamten Sport. Dopt die "Spitze", dann müssen alle anderen theoretisch nachziehen, um überhaupt ansatzweise mithalten zu können. Es wird einfach viel zu viel toleriert. Es gibt bestimmte Grenzwerte, die ein Sportler nicht übertreffen darf, aber normalerweise niemals erreicht. Oftmals sind diese Sportler ganz knapp unter der Grenze. Ich denke, dass die Spitze der Sportler - explizit Leichtathleten - alle dopen. Die, die erwischt werden haben einfach den Grenzwert ein wenig überschritten. Für sie jedoch kein Grund aufzuhören. Stattdessen versuchen sie nächstes mal einfach unauffälliger zu dopen.