Roberts Kolumne

Roberts Kolumne ist eine Kolumne im klassischen Sinne, mit der Möglichkeit, „Leserbriefe“ zu hinterlassen: Definitiv subjektiv, sanft satirisch und gerne auch mal populistisch.

Einträge

Post-Privacy-Asymmetrie: Schön selbst disqualifiziert

Eingestellt am 01. Januar 2012 um 22:34 Uhr » Medien und Informationen Gesellschaft Wer braucht so etwas? Kommentar Netz-Notizen

Beim abendlichen Heise-Lesen stolpert der geneigte Leser über ein „Streitgespräch“ zwischen Constanze Kurz vom CCC und Julia Schramm von der „datenschutzkritischen Spackeria“. Eine der beiden Diskutantinnen nutzt die zwei Seiten Text weidlich, sich in der Debatte über Datenschutz und Bürgerrechte zu disqualifizieren: Während Kurz fundiert die Bedeutung des Datenschutzes artikuliert, schränkt Schramm für sich diesen als auch ein Experiment freiwillig ein. Im Streitgespräch wird über den politischen und gesellschaftlichen Wert von Privatsphäre, Datenschutz und Transparenz gesprochen, wobei Schramms Argumentation für Post Privacy unklar, „verwaschen“ und widersprüchlich bleibt.

Das abendliche Tollwood in München
Blick über den Weihnachtsmarkt „Tollwood“ auf der Theresienwiese in München – Ort zur Offline-Pflege sozialer Netze mit freiem und anonymen Zugang für jeden.

Denn die „Post-Privatsphäre“, wie sie Schramm und die „Spackeria“ oder einige selbst ernannte „Digital Naives“ formulieren, ist äußerst asymmetrisch. Während auf der einen Seite die (z.T. vollkommene) Transparenz der Menschen untereinander steht, sind diejenigen, die „die Menschen zusammenbringen“, häufig alles andere als transparent. Bekannte so genannte „soziale Netze“ verführen Menschen zur (teilweisen) Aufgabe ihrer Privatsphäre gegenüber so genannten „Freunden“, dem Betreiber des Netzes, Werbekunden oder gar der ganzen Welt. Die Plattformen legen aber an sich selbst ganz klassische Maßstäbe von Offenheit – „weniger ist mehr“ – d.h. was sie von einem Menschen wissen, offenbaren sie nur soweit, wie es qua Gesetz von ihnen verlangt werden kann. Da kommt natürlich das weltweite Netz (WWW) zupass, das verschiedene Gerichtsstände ermöglicht, im Zweifelsfall den persönlich angenehmsten.

Straße in Arès, Département Gironde, Aquitaine, Südfrankreich
Straße in Arès, Département Gironde, Aquitaine, Südfrankreich. Hier (an diesem Gerichtsstand) ist im September die Welt noch in Ordnung und fast 30 °C heiß.

Nun ist seit dem erstarken der Piratenpartei Transparenz in Politik und Gesellschaft in aller Munde, als Vehikel „für eine bessere Welt“. Nur im Gegensatz zu den Post-Privacy-Propheten wird in der politischen Debatte (Informationsfreiheitsgesetz, Wikileaks, Piraten in der Kommunalpolitik, …) diese Transparenz bislang eher im Sinne des CCC gesehen: Private Daten schützen, öffentliche Daten nützen. Doch Post-Privacy, wie sie bislang propagiert wird, ist das genaue Gegenteil davon. Und selbst wenn deren Ansatz zuerst vom Menschen ausgeht und möglicherweise noch um Unternehmen oder Behörden erweitert würde, zeigt er doch die Naivität und Weltferne so mancher, die glauben, für eine – in ihren Augen – gute Sache zu sprechen.

Wir leben in der Marktwirtschaft, da gibt es nichts geschenkt; wer etwas Anderes glaubt, hat dieses System nicht verstanden.

Blick auf die Kasseler Löwenburg im Schnee
Soziale und winterliche Kälte in Kasseler Winter 2010/2011: Die Löwenburg im verschneiten Bergpark Wilhelmshöhe, praktisch einer Europas größter „Lustgärten“ für einen Provinzfürsten.

Geschenken scheint so mancher Post-Privater dann doch auch nicht gänzlich abgeneigt zu sein. Nicht nur Julia Schramm spricht im oben verlinkten „Streitgespräch“ vom bedingungslosen Grundeinkommen (BGE), auch so manch anderer aus diesem Umfeld hat sich damit schon mehr oder weniger wohl wollend auseinander gesetzt. So ganz uneigennützig scheint die Debatte allerdings nicht zu sein, denn mit Vorträgen, Bloggen und Twittern lässt sich vielleicht nicht genügend Einkommen fürs Auskommen generieren. Nur ist es wirklich einfacher bzw. bequemer, von einer Postarbeitsgesellschaft zu sprechen und auf ein BGE zu hoffen, als seine (geistige) Arbeitskraft zu Markte zu tragen (oder einen Mäzen zu finden)? Oder billigte der Markt Bloggen und Twittern nicht genug geldwerte Entlohnung zu? Welches ist dabei die Preisfrage (des Rätsels) und was die Systemfrage?

Auf Grund einer anhaltenden Spam-Attacke ist die Kommentarfunktion für diese Kolumne momentan deaktiviert. Sie können ihre Meinung aber auf anderem Wege oder per Pingback äußern.


Kommentare

Die Kommentare sind für diesen Eintrag geschlossen.

Informationen

XML - Fullpost XML - Summary RSS 2.0 - Kommentare
↪ Aktuelles von dieser Seite per RSS Feed. Mehr darüber erfahren Sie auf der Seite von Alp Uçkan.