Die Studentenproteste gegen allgemeine Studiengebühren in Hessen haben sich warmgelaufen, ganz im Gegenteil zur Landesregierung, die den Protesten nicht viel mehr als das Vorziehen des Gesetzes im Landtag entgegenzusetzen hat. Nachdem letzte Woche jeden Tag unser Protest großen medialen und gesellschaftlichen Anklang fand, ist man in Wiesbaden anscheinend äußerst genervt, bei fast jeder Gelegenheit auf lautstarke, aber friedliche (Formulierung diverser Polizeiberichte) Studenten zu treffen, sei es bei der CDU-Regionalkonferenz in den Kasseler Messehallen, auf dem Hessentag in Hessisch-Lichtenau, bei Sternmärschen von Studis, Azubis, Schülern, Lehrern und Eltern oder beim Betteln in der Kasseler Innenstadt (gell, Herr Holler?). Wer hätte denn auch ahnen können, dass diese undankbaren Studenten, statt sich über 500 Euro pro Semester Mehrbelastung zu freuen, auf die Straße gehen und die Polizei bereits vor der WM verheizen? Indem die parlamentarische Entscheidung für allgemeine Studienbeiträge in Hessen früher als geplant fällt, soll wohl der Protest abgewürgt werden, aber dafür ist es bereits zu spät: Wir haben einen bleibenden Eindruck in der Mehrheit der Bevölkerung hinterlassen, diese Mehrheit, sogar Teile der Polizei, Herr Bouffier, steht hinter uns. Aus diesem Grund werden wir notfalls rechtlich (Petition angelaufen) und demokratisch zurückschlagen (2008 ist Landtagswahl).
Kurz zu den Einzelereignissen, an denen ich teilgenommen habe:
Trotz strömenden Regens und mai-untypischer Kälte haben Studenten aus Kassel, Marburg und Gießen vor den Messehallen, in denen die CDU-Regionalkonferenz tagte, demonstriert. Der Zugang zu den Hallen wurde von uns blockiert, so dass es für die CDU-Mitglieder, die nicht so privilegiert wie Angie oder Roko sind, ein Spießrutenlauf war, durchs Polizeigeleit an uns vorbei in die Hallen zu gelangen. Trotz einiger Ausfälle konnten wir einige der angereisten „Christdemokraten“ über unser drohendes Schicksal aufklären. Im Anschluss an diese Aktion wurde die Demo in die Innenstadt geführt, wobei der Feierabend-Verkehr knapp verpasst wurde.
Am Dienstag war Meinungstag angesagt, d.h. wir haben die öffentliche Fraktionssitzung der Landtagsfraktion der CDU auf dem Hessentag besucht. Freundlicherweise wurden wir eingeladen, mit Mitgliedern der Landesregierung „zu diskutieren“ (eine Diskussion stelle ich mir als offenen, argumentativen Meinungsaustausch, nicht als Phrasendreschen vor). Gegen diese sture Haltung und das Nicht-Eingehen auf unsere Argumente konnten wir leider nichts machen, außer dies direkt vor RTL und HR in die Kamera zu sagen. Der Flyer-Absatz war übrignes rekordverdächtig.
Freitag war schließlich der Abschluss der (ersten) Uni Kassel-Aktionswoche: Betteln und sich prostituieren für die Bildung, 500 Euro müssen immerhin irgendwoher kommen, wenn man schon nicht jeden Abend ein Bier für 2,77 trinkt, Herr Corts. Für das gleiche Geld kann man sich übrigens jeden Tag ein Mittagessen sparen, schon ist das Studium finanziert. Diese Aktion brachte den Protest sehr nahe ans Volk, gerade, weil wir während des freitäglichen Feierabend-Verkehres den Königsplatz besetzt hatten. Man merkte außerdem, dass Herr Koch sehr weit weg sein musste: Petrus bedachte uns mit Sonne, während er bei sämtlichen Zusammentreffen mit Koch & Co diese mit kaltem Regen versah (ja, liebe Christlich Demokratische Union, selbst Gott ist mit uns).
Geschützt durch ein starkes Polizeiaufgebot, welches außerdem auf uns aufmerksam machte, konnte unser Protest in die Bevölkerung getragen werden und wird dort demnächst noch weiter gefestigt. Ich kann allerdings die Querulanten nicht verstehen: Wir Musterstudenten studieren vormittags und protestieren in unserer Freizeit. Wenn das nicht idealtypische, demokratische Staatsbürger sind?