Freiheit statt Angst
Diesen Spruch konnte man heute bei der Demo gegen die Vorratsdatenspeicherung in Kassel lesen, die unter ähnlichen Witterungsbedingungen wie in Berlin stattfand und von etwa 120 Teilnehmer begleitet wurde. Während der Bundestag am 9. November darüber entscheiden soll, versammelten sich heute deutschlandweit tausende Bürger, um mit Kundgebungen und Mahnwachen dem freiheitlichen Rechtsstaat zu gedenken, u.a. auch in Kassel. Neben dem Zitieren des Grundgesetzes dürfte das Singen des Volksliedes Die Gedanken sind frei fester Bestandteil sämtlicher Veranstaltungen gewesen sein.
Worum geht es bei der Vorratsdatenspeicherung?
Hintergrund ist die geplante Totalprotokollierung der Kommunikation (außer Brief sowie Flaschenpost oder Brieftaube) ab 2008, d.h. es werden alle Internetverbindungen, Telefonate sowie beim Mobilfunk zusätzlich die Position des Gesprächspartners für sechs Monate gespeichert. Die aktuelle Rechtslage gestattet hingegen nur die Speicherung der für die Abrechnung nötigen Daten und auch nur so lange wie nötig. Ab dem 1.1.2008 soll allerdings nach dem Willen der Bundesregierung und hier insbesondere des Duos Schäuble-Zypries stets nachvollziehbar sein, welcher unbescholtene Bürger mit welchen anderen unbescholtenen Bürgern Kontakt hat, womit nicht nur die vertrauliche Arbeit von Abgeordneten, Juristen, Ärzten, Journalisten uns insbesondere karikativen Beratungseinrichtungen torpediert wird, sondern jeder Bürger als potenzieller Terrorist behandelt wird; bei der Vorratsdatenspeicherung handelt es sich um eine weitere Waffe im so genannten „Kampf gegen den Terror“.
Datenspeicherung vs. Privatsphäre
Weil es sich dabei um einen schwerwiegenden und konkret unbegründeten Eingriff in Grundrechte und die Privatsphäre des Einzelnen handelt, bereitet der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung momentan eine Verfassungsbeschwerde vor, die bereits von mehreren tausend Bürgern unterstützt wird und damit die größte Klage dieser Art in der Geschichte der Bundesrepublik darstellt, aber trotzdem noch weiterhin zur Teilnahme aufruft.
Die Beeinträchtigung der Privatsphäre durch Überwachung hat dabei das Bundesverfassungsgericht (BVG) in seinem berühmten Volkszählungsurteil beschrieben:
Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. […] Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, daß etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und daß ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.
Das BVG zieht daraus die logische Schlussfolgerung:
Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt.
Reale Beeinträchtigung der Privatsphäre
Und tatsächlich ist es so, dass Überwachung zur Beeinträchtigung der Privatsphäre führt, indem eine Verhaltensänderung in Richtung Anpassung stattfindet, d.h. man möchte nicht auffallen. Dieses Verhalten wird man als geübter Beobachter an sich selbst oder anderen z.B. in „Anwesenheit“ von Videoüberwachung feststellen können, da abweichendes Verhalten sofort auffällt, was angesichts der Terrorhysterie in letzter Konsequenz bedeutet, dass man ein potenzieller Terrorist sein könnte, was in Zeiten von Guantánamo und der Hartnäckigkeit des BKA schnell unangenehm werden kann.
1 Robert (Admin) aus Baunatal/Deutschland schrieb am 14.11.2007:
Aufruf: Schnell noch an der wahrscheinlich größten Verfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland teilnehmen!